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Ergänzende Therapien

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Ärztin tippt mit einer Hand auf der Tastatur und hält in der anderen ein Apfel

Ergänzende
Therapien

Bei der Behandlung einer Essstörung spielt die Psychotherapie eine zentrale Rolle. Darüber hinaus gibt es weitere therapeutische Maßnahmen, die die Bewältigung der Erkrankung unterstützen können.

Ergänzende Therapien zielen darauf ab, einzelne Krankheitsaspekte vertiefend zu bearbeiten und den Behandlungserfolg zu festigen. Im Unterschied zur Psychotherapie, die vorwiegend in Form von Gesprächen stattfindet, stehen bei ihnen eher praktische Übungen und Erfahrungen im Mittelpunkt.

Vor allem Menschen mit schweren Essstörungen benötigen eine intensive therapeutische Begleitung. Daher bieten psychiatrische und psychosomatische Kliniken regelhaft erweiterte Behandlungsoptionen. Diese können Betroffene im Rahmen einer stationären Versorgung wahrnehmen.

Einige Begleittherapien können auch in Praxen vor Ort stattfinden. Sie müssen dann aber gesondert verordnet und von der Krankenkasse bewilligt werden. Im ambulanten Setting kann es sein, dass die Kosten der ergänzenden Therapien nicht, nur teilweise oder lediglich in Ausnahmefällen übernommen werden.

Ernährungstherapie

Eine Ernährungstherapie unterstützt von Essstörungen Betroffene dabei, Schritt für Schritt zu einem normalem Essverhalten und Gewicht zurückzufinden. Die Behandlung wird in der Regel stationär durchgeführt und umfasst je nach Bedarf verschiedene Maßnahmen:

  • Künstliche Ernährung: Sie ist manchmal bei schwerer Magersucht erforderlich, wenn Erkrankte extrem untergewichtig oder zu schwach zum Essen sind. Dann können in einer Klinik notwendige Nährstoffe über Infusionen oder Spezialnahrung über eine Magen-Sonde zugeführt werden. In akut lebensbedrohlichen Situationen ist auch eine Zwangsernährung gegen den Willen Betroffener möglich. Mehr zum Thema Zwangsbehandlung lesen Sie hier.
  • Ernährungsschulung: Viele Erkrankte haben eine sehr einseitige Kost verinnerlicht. Oft benötigen sie Informationen darüber, wie eine ausgewogene und ausreichende Ernährungsweise aussieht. Dieses grundlegende Wissen vermitteln ihnen Fachkräfte in speziellen Gruppenschulungen.
  • Praktische Anleitung: Einrichtungen, die eine Ernährungstherapie anbieten, verfügen in der Regel über eine Lehrküche. Hier bereiten Patientinnen und Patienten unter fachlicher Anleitung und mit anderen Betroffenen Gerichte zu. Sie lernen, gesunde Lebensmittel auszuwählen, die richtige Portionsgröße einzuschätzen und die Freude am Kochen wiederzuentdecken.
  • Gemeinsames Essen: Nicht selten haben Menschen mit Essstörungen ihr problematisches Ernährungsverhalten lange verheimlicht. Viele haben dadurch eine Scheu entwickelt, in Anwesenheit anderer zu essen. Eine Ernährungstherapie hilft Betroffenen durch geregelte und gesellige Mahlzeiten, die Nahrungsaufnahme wieder als ein wohltuendes soziales Ereignis zu sehen.

Die Planung ernährungstherapeutischer Maßnahmen sollte durch Ärztinnen oder Ärzte der Fachrichtung Ernährungsmedizin erfolgen. Durchgeführt werden sie in der Regel durch Fachkräfte, die in Diätassistenz ausgebildet sind oder Oecotrophologie (Ernährungs- und Haushaltwissenschaft) studiert haben.

Eine Ernährungstherapie ist nicht gleichzusetzen mit einer Ernährungsberatung. Letztere richtet sich an Gesunde, die aufgrund bestimmter Umstände (Schwangerschaft, vegane Ernährung, hohes Alter etc.) besondere Ernährungsbedürfnisse und Fragen dazu haben. Eine bloße Beratung ist bei Essstörungen nur in leichten Fällen oder im Rahmen der Nachsorge ausreichend.

Ausführliche Informationen zur Ernährungstherapie und -beratung bietet diese Broschüre der Kassenärztlichen Bundesvereinigung: PraxisWissen Ernährung.
Bei der Suche nach qualifizierten Ernährungstherapeutinnen und -therapeuten, die ambulant tätig sind, unterstützen Datenbanken verschiedener Fachverbände. Diese finden Sie hier.

Körpertherapie

Menschen mit Essstörungen fühlen sich oft unwohl in ihrer Haut. Typisch sind Unzufriedenheit mit der Figur und dem Aussehen. Vor allem von Magersucht Betroffene leiden an einem gestörten Körperbild. Sie nehmen sich selbst dann noch als dick und unförmig wahr, wenn sie schon stark untergewichtig sind.

Begleitend zu einer Psychotherapie haben sich in diesem Fall sogenannte körperorientierte Methoden bewährt. Darunter versteht man verschiedene Behandlungsformen, bei denen die Beschäftigung mit dem eigenen Körper im Zentrum steht. Sie können dazu beitragen, dass Betroffene wieder ein positives Körpergefühl und mehr Selbstvertrauen entwickeln.

Die Körpertherapie, die einzeln oder in Gruppen erfolgen kann, umfasst zum Beispiel diese Verfahren:

  • Video- und Spiegelkonfrontation: Menschen mit Essstörungen konzentrieren sich beim Blick auf ihr Äußeres oft nur auf subjektiv wahrgenommene Makel. In der Therapie betrachten sie bewusst Stellen, die aus ihrer Sicht schön oder akzeptabel sind. Dies fördert eine objektive Sichtweise auf das persönliche Aussehen und die Fähigkeit, dem eigenen Körper wertschätzend gegenüberzustehen.
  • Körperwahrnehmungstraining: Bei dieser Gruppentherapie erfühlen Teilnehmende ihren Körper und dessen Signale. Dies geschieht in Bewegung, mit Materialien wie Bällen, Seilen oder Tüchern und im Umgang mit anderen. Dies soll eigene Wahrnehmungs-, Aktivitäts- und Beziehungsmuster, bestehende Ressourcen und Defizite bewusst machen. Darauf aufbauend entwickeln und erproben Betroffene neue Erlebnis- und Handlungsmöglichkeiten.
  • Bewegungsangebote: Auch Sport, Tanz oder spielerische Aktivitäten in der Gruppe können das Körper- und Selbstbewusstsein positiv beeinflussen. Im Vordergrund steht dabei der Spaß. Dieser Fokus ist besonders bei von Bulimie oder Magersucht Betroffenen wichtig. Denn viele treiben übermäßig und leistungsorientiert Sport, um abzunehmen. Dagegen leiden Menschen mit Binge-Eating oft an Übergewicht und Bewegungsmangel. Sie werden in der Behandlung behutsam an eine aktivere Lebensweise zur Gewichtsregulierung herangeführt.
  • Entspannungsmethoden: Die meisten Techniken verbinden Körper-, Atem- und Achtsamkeitsübungen miteinander. Viele Betroffene empfinden diese Kombination als hilfreich, um Kraft zu schöpfen, zu sich zu kommen und besser mit belastenden Gefühlen umzugehen.

Manche der genannten Maßnahmen führen psychotherapeutische Fachkräfte durch. Teilweise sind aber auch andere medizinische Berufsgruppen mit entsprechender Qualifikation zuständig. Eine Liste ambulanter Praxen, die körperorientierte Therapien anbieten, finden Sie auf diesen Seiten:

Kreativtherapie

Kreativtherapien setzen zur Behandlung seelisch erkrankter Menschen gezielt gestalterische und schöpferische Elemente ein. Einige Ansätze dienen gleichzeitig therapeutischen und diagnostischen Zwecken. Denn über kreative Ausdrucksformen können Betroffene oft unaussprechliche Gefühle mitteilen, die dann in Gesprächssitzungen aufgegriffen und bearbeitet werden.

Zu den Kreativtherapien zählen unter anderem folgende Behandlungsformen:

  • Kunsttherapie: Hier gestalten Betroffene mit Pinsel, Farben und anderen Materialien Bilder oder Skulpturen. Die Werke werden als Spiegel der seelischen Innenwelt sowie der Persönlichkeitsstruktur verstanden. Sie machen unbewusste oder bewusste Botschaften sichtbar und damit für die therapeutische Arbeit zugänglich.
  • Musiktherapie: Auch über die Musik lassen sich Gefühle darstellen und beeinflussen. Wie Betroffene auf Melodien reagieren, welche Instrumente sie wählen, wie sie diese oder die eigene Stimme einsetzen – all dies erlaubt indirekt Rückschlüsse auf das emotionale Befinden. Sowohl passives Zuhören als auch aktives Musizieren können zudem entspannend und befreiend wirken.
  • Ergotherapie: Hier dienen handwerkliche Techniken in erster Linie dazu, psychisch bedingte Einschränkungen der Handlungsfähigkeit zu verbessern. Die praxisnahen Tätigkeiten und Übungen sollen es Betroffenen erleichtern, im Alltag zurechtzukommen, sich selbst zu versorgen und vorherige Aktivitäten wieder aufzunehmen.

Kunst- sowie Musiktherapien werden üblicherweise im klinischen Umfeld angeboten. Die Ergotherapie dagegen ist eine Methode, die häufig auch in örtlichen Praxen stattfindet. Sie kann ärztlich, seit 2021 außerdem durch psychologische Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten verordnet werden. In der Regel wird die ambulante Ergotherapie direkt mit der Krankenkasse abgerechnet. 

Zur bundesweiten Suche nach ambulanten Einrichtungen im Bereich Kreativtherapien bieten beispielsweise diese Organisationen Datenbanken:

Weitere Berufsverbände, in denen unter anderem kunst- und musiktherapeutisch tätige Fachkräfte organisiert sind, werden hier gelistet: Bundesarbeitsgemeinschaft Künstlerische Therapien (BAG KT)

Soziotherapie

Die Soziotherapie ist eine langfristig angelegte psychosoziale Unterstützung für Menschen mit einer seelischen Erkrankung. Sie findet in deren häuslichem Umfeld statt und beinhaltet motivierende, strukturierende sowie alltagsbezogene Trainingsmaßnahmen. Diese zielen darauf ab, Betroffene zur Selbstständigkeit und Eigenverantwortung anzuleiten. So soll die Begleitung unter anderem die Fähigkeit und den Willen Erkrankter fördern, Behandlungsangebote wahrzunehmen.  

Soziotherapeutinnen und -therapeuten arbeiten vorwiegend mit den Betroffenen und gehen dabei auf deren individuelle Situation ein. Bei Bedarf wird aber auch das soziale Umfeld einbezogen. Denn Angehörige und andere Bezugspersonen sind eine wichtige Hilfe bei der Krankheitsbewältigung. Zudem findet die Betreuung immer in enger Zusammenarbeit mit psychotherapeutischen Fachkräften statt – damit die Unterstützung laufend an die Bedürfnisse und Fortschritte Erkrankter angepasst werden kann.  

Die Soziotherapie steht in der Regel psychisch schwer erkrankten Personen zu, bei denen die gesellschaftliche, soziale oder therapeutische Teilhabe stark beeinträchtigt ist. Die Maßnahme muss von fachärztlicher oder psychotherapeutischer Seite verordnet und durch der Krankenkasse genehmigt werden. Bei Menschen mit einer Essstörung wird die Soziotherapie in Einzelfällen bewilligt, wenn zum Beispiel in folgenden Bereichen krankheitsbedingt massive Einschränkungen bestehen:

  • Antrieb, Ausdauer oder Belastbarkeit
  • Fähigkeit zur Planung, Strukturierung und Umsetzung von Alltagsaufgaben
  • Realitätsbezug und Krankheitseinsicht
  • Wahrnehmung von Konfliktsituationen und Krisen

Ausführliche Informationen zur Soziotherapie bietet diese Broschüre der Kassenärztlichen Bundesvereinigung: PraxisWissen Soziotherapie

Eine Datenbanksuche, in der auf die Soziotherapie spezialisierte Fachkräfte zu finden sind, steht auf dieser Seite zur Verfügung: Bundesverband Soziotherapie e.V.

Weitere Therapieansätze

Neben den genannten Therapien können auch folgende Maßnahmen eine sinnvolle oder notwendige Ergänzung zur psychotherapeutischen Behandlung sein:

  • Medikamente: Nicht selten gehen Essstörungen mit anderen seelischen Begleiterkrankungen wie etwa Depressionen einher. Betroffene können dann bei Bedarf Psychopharmaka erhalten. Mit Arzneimitteln behandelt werden zudem manche körperlichen Beschwerden, die im Zusammenhang mit Essstörungen auftreten können. Mehr dazu lesen Sie hier.
  • Angeleitete Selbsthilfe: Mittlerweile gibt es Apps und Internetprogramme, die Betroffene mit Informationen und Hilfsmitteln im Umgang mit der Essstörung unterstützen. Solche Online-Kurse haben sich vor allem in Kombination mit einer Psychotherapie und in der anschließenden Nachsorge bewährt. Sie können aber auch zur Überbrückung von Wartezeiten auf eine ambulante oder stationäre Behandlung hilfreich sein. Mehr zu den digitalen Selbsthilfeangeboten erfahren Sie hier.