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Medikamente

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Arzt hält weiße Tabletten in geöffneten Händen

Medikamentöse
Behandlung

Ein Medikament einnehmen und wieder gesund werden ­– das funktioniert bei Essstörungen nicht. Sie sind komplexe seelische Erkrankungen, die eine Psychotherapie erfordern.

Dennoch kann bei Menschen mit einer Essstörung eine ergänzende Behandlung mit Arzneimitteln sinnvoll und nötig sein. Ob und welche Medikamente zum Einsatz kommen, hängt von der psychischen und körperlichen Verfassung Betroffener ab.

Grundsätzlich gilt: Medikamente bekämpfen nicht die Ursachen und Auslöser einer Essstörung. Sie lindern lediglich Beschwerden oder Folgen, die mit der Erkrankung häufig einhergehen.

Psychopharmaka

Psychopharmaka sind Medikamente, die Stoffwechselvorgänge im Gehirn beeinflussen und so das seelische Befinden verändern. Sie werden zum Beispiel bei Depressionen eingesetzt, aber auch bei Zwangsstörungen, Angsterkrankungen oder Persönlichkeitsstörungen.

Diese Erkrankungen können bei Essstörungen begleitend vorliegen. Man spricht dann von Komorbiditäten. Sie belasten Betroffene zusätzlich und müssen psychotherapeutisch mitbehandelt werden. Unterstützend kommen Psychopharmaka infrage. Sie dienen dann vor allem dazu, Erkrankte so weit zu stabilisieren, dass sie eine Gesprächstherapie beginnen und durchführen können.

Bei Essstörungen ohne seelische Begleiterkrankungen sind Psychopharmaka dagegen keine Standardtherapie. Manchmal kann ihr Einsatz jedoch erwogen werden. Denn bei einigen Medikamenten wurde in Studien beobachtet, dass sie typische Symptome von Essstörungen verbessern können.

  • Antidepressiva: Diese Arzneimittel werden bei Depressionen, aber auch bei Zwängen und Ängsten verordnet. Eine Untergruppe sind die sogenannten Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI). Eine Nebenwirkung dieser Psychopharmaka ist verringerter Appetit. Dies kann helfen, die Häufigkeit von Essanfällen bei Bulimie zu senken, möglicherweise auch bei Binge-Eating.
  • Neuroleptika: In der Regel erhalten zum Beispiel Menschen mit einer Schizophrenie oder Borderline-Persönlichkeitsstörung diese Psychopharmaka. Sie führen oft zu einer Gewichtszunahme, die bei der Magersucht erwünscht ist. Bedeutsam bei dieser Essstörung scheint aber eher die beruhigende Wirkung der Medikamente zu sein. Sie kann dazu beitragen, Gewichtsängste, um das Essen kreisende Gedanken oder eine anders nicht kontrollierbare Hyperaktivität zu dämpfen.

Obwohl einige wissenschaftliche Daten darauf hindeuten, ist der Nutzen von Psychopharmaka bei Essstörungen in der Fachwelt umstritten. Daher wurde in Deutschland bisher lediglich ein Wirkstoff offiziell zur Behandlung Betroffener zugelassen. Dabei handelt es sich um das SSRI-Medikament Fluoxetin. Es darf ausschließlich Menschen mit Bulimie und in Kombination mit einer Psychotherapie verordnet werden.

Bei Magersucht oder Binge-Eating gilt dagegen: Aktuell hat kein einziges Psychopharmakon eine spezifisch auf diese Essstörungen ausgerichtete Zulassung erhalten. Daher ist hier der Einsatz der Arzneimittel nur in medizinisch begründeten Fällen möglich.

Werden Medikamente bei Erkrankungen eingesetzt, für die sie eigentlich nicht vorgesehen sind, spricht man von „Off-Label“-Gebrauch. Krankenkassen übernehmen die Kosten der Behandlung dann nur, wenn sie aus ärztlicher Sicht als hilfreich und unerlässlich erachtet wird.

Ob die Begleittherapie mit Psychopharmaka den Genesungsprozess bei einer Essstörung unterstützen kann, muss immer im Einzelfall entschieden werden. Besonders vor einem „Off-Label“-Gebrauch ist eine umfassende Beratung und Aufklärung Betroffener Pflicht – unter anderem zu diesen Fragen:

  • Gibt es einschlägige Erfahrungen zur Anwendung des Wirkstoffs bei der jeweiligen Essstörung?
  • Was sind die konkreten Vorteile, die für eine Einnahme sprechen?
  • Welche belastenden Nebenwirkungen sind möglicherweise zu erwarten?
  • Überwiegt der Nutzen eindeutig die möglichen Kurz- und Langzeitrisiken?
  • Wie lange muss das Medikament eingenommen werden?

Grundsätzlich sollte die Anwendung von Psychopharmaka unter fachärztlicher Begleitung stattfinden. Zuständig für Erwachsene sind Ärztinnen und Ärzte der Fachrichtungen Psychiatrie und Psychotherapie oder Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Auf die Behandlung Minderjähriger sind kinder- und jugendpsychiatrische Praxen ausgerichtet. Nur diese spezialisierten Fachkräfte verfügen über die nötige Erfahrung, um eine bedarfsgerechte, wirksame und verträgliche Medikation sicherzustellen.

Nahrungsergänzung

Bei Essstörungen kann es durch die eingeschränkte oder einseitige Nahrungszufuhr zur Unterversorgung mit wichtigen Nährstoffen kommen. Meist gleichen sich solche Mangelzustände nach der Normalisierung des Essverhaltens wieder aus. Bis dahin kann eine gezielte Nahrungsergänzung erforderlich sein, um körperliche Auswirkungen zu lindern oder mögliche Langzeitfolgen zu vermeiden.

  • Zink: Ein Mangel an diesem Spurenelement kann bei Magersucht zur Abnahme des Appetits und des Gewichts führen. Dieser Zusammenhang besteht aber nicht bei allen Betroffenen. Die Gabe von Zink ist daher keine ursächliche Behandlung. Sie sollte nur erfolgen, wenn körperliche Anzeichen eines Zinkmangels bestehen. Dies können zum Beispiel trockene Haut, Haarausfall, brüchige Nägel oder eine verminderte Zahl der roten Blutkörperchen (Anämie) sein.
  • Vitamine: Ziel der Behandlung bei Essstörungen ist es, eine gesunde, ausgewogene Ernährung zu erreichen. Sie macht Vitaminpräparate in der Regel unnötig. Untergewicht kann allerdings den Knochenstoffwechsel ungünstig beeinflussen ­­­­­­– insbesondere im Wachstum. Daher wird vor allem bei jungen Menschen, die untergewichtig sind, die vorbeugende Einnahme von Vitamin D und Kalzium empfohlen. Dies bremst den Knochenabbau und senkt das Risiko für eine vorzeitige Osteoporose.
  • Eisen: Folge einer Fehl- oder Mangelernährung können auch zu niedrige Eisenwerte im Blut sein. Betroffene leiden unter Müdigkeit, rascher Erschöpfung, Konzentrationsschwäche, Unruhe, Kopfschmerzen oder Hautauffälligkeiten. Bei einer leichten Unterversorgung reicht es, über die Nahrung mehr Eisen zu sich zu nehmen. Ergänzende Eisenpräparate sind nur angezeigt, falls ein ausgeprägter Mangel festgestellt wird.

Eine Überdosierung von Vitaminen und Mineralien kann mehr schaden als nützen. Daher ist von der Einnahme frei verkäuflicher Nahrungsergänzungsmittel abzuraten. Nur ärztlich verordnete Präparate sind in ihrer Zusammensetzung genau auf den jeweiligen Bedarf abgestimmt.

Die Behandlung körperlicher Beschwerden im Zusammenhang mit einer Essstörung übernehmen in der Regel hausärztliche Praxen. Bei minderjährigen Patientinnen und Patienten sind kinder- und jugendärztliche Praxen die richtige Anlaufstelle. Vor Ort werden notwendige Untersuchungen durchgeführt und gegebenenfalls passende Medikamente zur Nahrungsergänzung verordnet.

Sonstige Medikamente

Eine Essstörung kann die Gesundheit auf vielfältige Weise beeinträchtigen. Welche körperlichen Folgen bei Betroffenen auftreten, ist von der Art der Erkrankung, aber auch von ihrer Schwere und der Dauer des Bestehens abhängig.

Daher lässt sich nicht pauschal sagen, welche weiteren Arzneimittel Erkrankte benötigen. In jedem Fall sollten Beschwerden immer ärztlich abgeklärt und nach Möglichkeit behandelt werden. Denn körperliches Unwohlsein belastet auch seelisch und kann den Verlauf der Essstörung sowie psychischer Begleiterkrankungen ungünstig beeinflussen.  

Manchmal ist die Verordnung von Medikamenten, die sich Betroffene in bestimmten Situationen wünschen, allerdings nur eingeschränkt möglich oder nicht zweckmäßig:

  • Pille: Mädchen und Frauen, die aufgrund einer Magersucht oder Bulimie starkes Untergewicht aufweisen, haben oft keine oder eine unregelmäßige Periode. Dies schließt eine Schwangerschaft aber nicht aus, so dass die Verhütung mit der Pille sinnvoll sein kann. In den Einnahmepausen kommt es dann zu Abbruchblutungen. Aber: Die für den normalen Zyklus wichtige Wirkung weiblicher Hormone im Gehirn und an den Eierstöcken findet nicht statt. Zudem kann die Pille bei jugendlichen Patientinnen sogar schädlich sein, insbesondere wenn sie mangelernährt und untergewichtig sind. Denn orale Kontrazeptiva beeinflussen den in der Entwicklung wichtigen Knochenaufbau negativ. Daher empfiehlt die Behandlungsleitlinie Essstörungen bei Heranwachsenden mit Magersucht die Nutzung anderer Verhütungsmethoden.
  • Abnehmmittel: Eine Binge-Eating-Störung kann mit starkem Übergewicht (Adipositas) einhergehen. Um Betroffenen das Abnehmen zu erleichtern, wurden früher Appetitzügler eingesetzt. Diese Medikamente beeinflussen das Sättigungszentrum im Gehirn und dämpfen den Hunger. Wegen ihrer starken Nebenwirkungen wurden sie jedoch europaweit wieder vom Markt genommen. Inzwischen gibt es neuere Wirkstoffe, die einen medizinisch empfohlenen Gewichtsverlust unterstützen können. Diese Medikamente gelten in Deutschland allerdings als „Lifestyle-Mittel“. Daher ist eine Erstattung der Behandlungskosten durch die Krankenkasse nur möglich, wenn bestimmte Begleiterkrankungen wie beispielsweise Diabetes vorliegen.

Ausgeprägtes Unter- oder Übergewicht ist ein Gesundheitsrisiko, das schwerwiegende Kurz- und Langzeitauswirkungen haben kann. Mit Medikamenten allein lassen sich diese auf Dauer nicht behandeln. Daher zielt die Therapie vorrangig auf eine Gewichtsregulierung durch Normalisierung des Ernährungs- und gegebenenfalls des Bewegungsverhaltens ab.

Die erwiesenermaßen wirksamste Behandlung bei Essstörungen ist die Psychotherapie. In ihr bearbeiten Betroffene die Ursachen der Erkrankung und überwinden sie mit professioneller Begleitung. Ergänzend dazu können weitere nicht-medikamentöse Maßnahmen dabei unterstützen, wieder ein gesundes Verhältnis zum Essen, zum Gewicht und zum eigenen Körper zu entwickeln. Mehr dazu lesen Sie hier.