In sehr seltenen Fällen kann es nötig sein, an einer Essstörung erkrankte Personen gegen ihren Willen zu behandeln. Eine solche Zwangsbehandlung ist nur möglich, wenn bestimmte Bedingungen und strenge gesetzlich Vorgaben erfüllt sind.
Betroffen sind fast immer Menschen mit Magersucht. Sie verweigern häufig eine Therapie, weil sie sich selbst nicht als krank empfinden. Dadurch halten sie auch noch an ihrem problematischen Essverhalten fest, wenn ihr Untergewicht und Allgemeinzustand bereits bedenklich sind.
Zwangseinweisung
Grundsätzlich darf eine Zwangsbehandlung ausschließlich in einer stationären Einrichtung, etwa einer psychiatrischen Klinik, durchgeführt werden. Lehnen Patientinnen oder Patienten die Aufnahme dort ab, können behandelnde Ärztinnen und Ärzte die Einweisung gegen ihren Willen veranlassen.
Eine stationäre Zwangsunterbringung ist ein schwerer Eingriff in die Freiheitsrechte. Sie darf daher nur im Notfall und bei erheblicher Selbstgefährdung erwogen werden. Gerechtfertigt kann eine Zwangseinweisung beispielsweise sein, wenn
- der Gesundheitszustand Erkrankter so bedrohlich ist, dass Lebensgefahr besteht,
- Betroffene selbstverletzendes Verhalten zeigen oder konkrete Suizid absichten äußern.
Vor einer Zwangsunterbringung müssen alle Mittel ausgeschöpft werden, um Erkrankte von der Notwendigkeit einer stationären Behandlung zu überzeugen. Gelingt dies nicht, wird das zuständige Ordnungsamt verständigt, um die Patientin oder den Patienten in die psychiatrische Klinik zu begleiten.
Damit die zwangsweise Unterbringung rechtswirksam wird, ist ein richterlicher Beschluss binnen 24 Stunden erforderlich. Grundlage dafür ist ein medizinisches Gutachten. Es muss genau darlegen und begründen, warum die Zwangseinweisung zum Schutz Betroffener unvermeidbar ist.
Zwangsbehandlung
Eine Zwangsbehandlung ist eine medizinische Maßnahme, die gegen den Willen der betroffenen Person erfolgt. Dazu zählen beispielsweise eine Zwangsernährung bei lebensbedrohlichem Untergewicht oder die Zwangstherapie mit Medikamenten bei akuten psychischen Krisen.
Wichtig zu wissen: Eine Zwangseinweisung in eine stationäre Einrichtung hat nicht automatisch zur Folge, dass auch eine Zwangsbehandlung durchgeführt werden darf. Häufig ist sie jedoch bereits im richterlichen Unterbringungsbeschluss vorgesehen. Ist dies nicht der Fall oder befinden sich Betroffene freiwillig in einer Klinik, muss eine Zwangstherapie separat beantragt und gerichtlich genehmigt werden.
Die richterliche Entscheidung, ob eine Zwangsbehandlung zulässig ist, stützt sich auf ein psychiatrisches Sachverständigengutachten. Daraus muss eindeutig hervorgehen, dass
- ohne die empfohlene Behandlung ein erheblicher gesundheitlicher Schaden droht,
- Betroffene krankheitsbedingt die Notwendigkeit der Therapiemaßnahme nicht erkennen können,
- Erkrankte zuvor ausführlich aufgeklärt wurden und ohne Druck versucht wurde, sie zu einer freiwilligen Behandlung zu bewegen,
- es keine alternative Maßnahme gibt, um die gesundheitsgefährdende Lage abzuwenden,
- der Nutzen der Zwangsbehandlung deutlich höher ist als das zu erwartende Risiko.
Auch Betroffene, gegebenenfalls Angehörige oder andere Betreuende werden vor Anordnung einer Zwangsbehandlung angehört. Sie wird zunächst für 6 Wochen genehmigt. Danach ist eine Verlängerung möglich, sofern die oben genannten Voraussetzungen weiterhin gegeben sind.
In besonders dringlichen Fällen kann die Erlaubnis für eine Zwangsbehandlung im Eilverfahren erteilt werden. Dann reicht ein ärztliches Attest, um die Maßnahme zu begründen und eine einstweilige gerichtliche Anordnung für zwei Wochen zu erwirken. Bei akuten Notfällen, die ein sofortige Eingreifen erfordern, kann die Klinik eine Zwangstherapie auch ohne vorherige gerichtliche Genehmigung vornehmen. Diese muss jedoch so rasch wie möglich nachträglich eingeholt werden.
Wer informiert zu Zwangsmaßnahmen?
Für Angehörige oder andere betreuende Personen ist es eine hohe emotionale Belastung, wenn sie gegen den Willen eines nahestehenden Menschen handeln müssen. Sie sollten sich dann klar machen, dass eine Zwangseinweisung oder -behandlung dem Schutz Erkrankter dient.
In Notfallsituationen bleibt oft keine Zeit, lange abzuwägen. Dann sollten sich Betroffene auf die fach- oder notärztliche Einschätzung verlassen. Behandelnde Ärztinnen und Ärzte sowie Rettungskräfte können beurteilen, ob Gefahr für Leib und Leben besteht und eine Zwangsmaßnahme gerechtfertigt ist.
Wenn Menschen mit Essstörungen notwendige Therapien ablehnen und dadurch ihr körperliches oder seelisches Wohlbefinden gefährden, machen sich Familienmitglieder verständlicherweise große Sorgen. Dann ist es ratsam, möglichst frühzeitig das Gespräch mit behandelnden Fachkräften zu suchen. Sie können erläutern, ob angesichts der gesundheitlichen Lage Maßnahmen gegen den Willen der erkrankten Person überhaupt infrage kommen.
Bei einer Zwangseinweisung oder -behandlung müssen nicht nur klar vorgegebene medizinische Voraussetzungen erfüllt sein. Auch rechtliche Fragen und das genaue Vorgehen im Einzelfall sind zu klären. So können die Regelungen von Bundesland zu Bundesland etwas verschieden sein. Eine Rolle spielt zudem, ob die erkrankte Person bereits erwachsen oder noch minderjährig ist.
Daher ist wichtig, dass sich Angehörige oder andere Betreuende ausführlich beraten lassen.
Informationen und Hilfe bieten das örtliche Gesundheitsamt sowie der Sozialpsychiatrische Dienst. Auch das Betreuungsgericht am zuständigen Amtsgericht kann Auskünfte erteilen.
Ratsuchende können sich zudem an professionelle Beratungsstellen für Essstörungen wenden. Eine bundesweite Suche nach Kontaktadressen finden Sie hier.
Das Beratungstelefon der BZgA steht Betroffenen, Angehörigen und anderen Personen ebenfalls für Fragen rund um Essstörungen zur Verfügung und nennt geeignete Anlaufstellen, die bei Fragen zu Zwangsmaßnahmen weiterhelfen.
Weitere Informationen finden Sie im folgenden Themenblatt:
Download Zwangsbehandlung bei Essstörungen
Herausgeber: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung