Eine ambulante Therapie erfolgt in Praxen vor Ort oder in der näheren Region. Patientinnen und Patienten können bei dieser Versorgungsform im gewohnten häuslichen und sozialen Umfeld verbleiben.
Im Unterschied zur stationären Behandlung arbeiten ambulante Fachkräfte in der Regel nicht als Team in einer einzigen Einrichtung zusammen. Für eine umfassende Versorgung bei einer Essstörung ist es daher meist notwendig, regelmäßig verschiedene ambulante Einrichtungen aufzusuchen.
Hausärztliche Praxen
Hausärztinnen und -ärzte sind bei gesundheitlichen Anliegen jeglicher Art die erste Anlaufstelle. Sie betreuen ihre Patientinnen und Patienten fortlaufend und oft über viele Jahre. Dadurch erkennen sie häufig als erstes Veränderungen, die auf eine Essstörung hindeuten.
In der Regel haben Hausärztinnen und -ärzte eine mehrjährige Zusatzausbildung in Allgemeinmedizin, Innerer Medizin oder Kinder- und Jugendmedizin. Kinder- und jugendärztliche Praxen sind auf die altersgerechte Versorgung Minderjähriger spezialisiert. Bis zum 18. Lebensjahr sollte die regelmäßige ärztliche Begleitung daher möglichst dort erfolgen.
Ärztinnen und Ärztinnen für Kinder- und Jugendmedizin führen bei Heranwachsenden wichtige Vorsorge-Checks wie die Jugenduntersuchung J1 durch. Sie dient unter anderem dazu, seelische Probleme als Ursache oder Auslöser von Essstörungen frühzeitig festzustellen. Mehr dazu erfahren Sie hier.
Hausärztliche Praxen sind bei verschiedensten Krankheiten für die medizinische Grundversorgung zuständig. Sie können diese auch bei Menschen mit Essstörungen übernehmen. Schwerpunkte der Versorgung sind unter anderem die folgenden:
- allgemeine Aufklärung Betroffener oder Angehöriger zu Fragen rund um die Erkrankung
- Behandlung körperlicher Beschwerden im Zusammenhang mit der Essstörung
- regelmäßige Bestimmung wichtiger Gesundheitswerte
- Verordnung von Medikamenten, etwa zum Ausgleich eines Nährstoffmangels
- Überweisung an ambulante Fachpraxen oder stationäre Einrichtungen
Medizinerinnen und Mediziner im hausärztlichen Bereich haben beratende Funktion und koordinieren weiterführende Therapiemaßnahmen. Die behandelnde Tätigkeit konzentriert sich jedoch vorwiegend auf die körperlichen Folgen einer Essstörung. Daher ist es erforderlich, speziell für die Diagnose und Therapie psychischer Erkrankungen ausgebildete Fachkräfte hinzuzuziehen.
Fachärztliche Praxen
Essstörungen sind seelische Erkrankungen. Darauf spezialisierte Ärztinnen und Ärzte haben eine Facharztausbildung in Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie oder Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie.
Der Besuch einer fachärztlichen Praxis erfolgt in der Regel anlassbezogen. Er ist beispielsweise erforderlich, wenn Anzeichen für eine Essstörungen sprechen, aber noch kein eindeutiger Befund vorliegt. Die fachärztliche Diagnose beinhalten dann folgende Elemente:
- Befragung zur Krankenvorgeschichte (Anamnese)
- eingehende körperliche Untersuchung zum Ausschluss organischer Ursachen
- ausführliche Tests zur Bestimmung der Art und des Schweregrads der Essstörung
- Erfassung möglicher psychischer Begleiterkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen
Fachärztinnen und -ärzte haben sowohl seelische als auch körperliche Aspekte einer Essstörung im Blick und können beides behandeln. Vielen Fachpraxen fehlt jedoch die Kapazität, allen Menschen mit Essstörungen eine fortlaufende Begleitung anzubieten. Unerlässlich ist sie, wenn Betroffene
- eine ambulante Psychotherapie unter ärztlicher Führung benötigen,
- an seelischen Beschwerden leiden, die eine fachgerechte Behandlung mit Psychopharmaka erfordern.
In allen anderen Fällen übernehmen Fachärztinnen und -ärzte in der Regel nur die Diagnose und verweisen je nach Befund an bedarfsgerechte Therapieangebote.
Wenn möglich wird die weitere Behandlung in ambulanten psychotherapeutischen Praxen unter Einbezug von Hausärztinnen und -ärzten weitergeführt. Bei schweren Krankheitsverläufen leiten Fachärztinnen und -ärzte die nötigen Schritte für die Therapie in einer stationären Einrichtung ein.
Psychotherapeutische Praxen
Die Psychotherapie ist das Kernelement in der Behandlung von Essstörungen. Sie kann in einer fachärztlichen Einrichtung durchgeführt werden. Meist übernehmen jedoch nicht-ärztliche Fachkräfte, die in eigenen Praxen tätig sind, die ambulante psychotherapeutische Begleitung Betroffener.
In Deutschland ist der Titel Psychotherapeutin oder Psychotherapeut gesetzlich geschützt. Ihn dürfen nur Fachkräfte verwenden, die eine bundesweit einheitlich geregelte Ausbildung vorweisen können. Diese setzt einen Hochschulabschluss voraus. Danach ist eine mehrjährige Weiterbildung in einem anerkannten Psychotherapieverfahren erforderlich.
Staatlich geprüfte Fachkräfte für Psychotherapie können unterschiedliche Berufsbezeichnungen haben:
- Psychologische Psychotherapeutinnen und -therapeuten haben ein Studium der Psychologie absolviert.
- Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutinnen und -therapeuten haben Pädagogik, Sozialpädagogik oder eine andere Sozialwissenschaft studiert. Häufig sind sie auch Psychologinnen oder Psychologen, die sich während ihrer Psychotherapie-Ausbildung auf die Behandlung von Erkrankten bis 21 Jahren spezialisiert haben.
Behandelnde Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sollten Erfahrungen mit Essstörungen haben und auf geeignete Therapieverfahren spezialisiert sein. Welche Methode im Einzelfall angewandt wird, hängt unter anderem vom Krankheitsbild und Alter Betroffener ab.
Psychotherapeutische Fachkräfte setzen wichtige Versorgungsaufgaben um. Dazu zählen
- die Beratung an Essstörungen erkrankter Personen und ihrer Angehörigen
- die genaue Befundung der vorliegenden Essstörung
- die Feststellung psychischer Begleiterkrankungen
- die Durchführung einer nicht-ärztlichen Psychotherapie
- die Verordnung ergänzender Therapien oder einer Krankenhausbehandlung
Als Psychotherapeutin und Psychotherapeut zugelassene Fachkräfte haben keine medizinische Ausbildung. Dadurch sind sie nicht qualifiziert, organische Ursachen oder Folgen einer Essstörung festzustellen. Sie dürfen auch keine Arzneimittel verordnen, die manchmal zu Linderung körperlicher oder seelischer Beschwerden nötig sind. Eine medikamentöse Behandlung muss daher immer in fach- und/oder hausärztlichen Praxen stattfinden.
Wissenswertes und Hilfreiches
Grundsätzlich haben alle ambulanten Versorgungsebenen die Aufgabe, Menschen mit Essstörungen oder Angehörige zu beraten.
Bei haus- oder kinder- und jugendärztlichen Praxen bekommen Betroffene meist kurzfristig einen Termin, um mit bereits vertrauten Ärztinnen oder Ärzten über ihre Sorgen zu reden. Manchmal fällt es leichter, sich gegenüber neutralen Fachkräften zu öffnen – beispielsweise in professionellen Beratungsstellen.
Ratsuchende können auch direkt eine fachärztliche oder psychotherapeutische Praxis aufsuchen. Sie benötigen dafür keine Überweisung. Diese kann jedoch helfen, schneller einen Termin zu bekommen.
Überweisende Hausärztinnen und -ärzte können auf der Bescheinigung einen Dringlichkeitsvermerk eintragen. Mit diesem Code wenden sich Versicherte telefonisch oder online an die kassenärztliche Terminservicestelle. Diese vermittelt innerhalb von spätestens vier Wochen einen Termin bei einer fachärztlichen oder psychotherapeutischen Praxis in Wohnortnähe.
Die Kosten für ein Beratung oder Behandlung durch Ärztinnen und Ärzte tragen die Krankenkassen. Dies gilt auch für Leistungen von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten mit Kassenzulassung. Vor Beginn einer ambulanten Psychotherapie muss jedoch ein Bewilligungsantrag gestellt werden. Dies übernimmt in der Regel die psychotherapeutische Fachkraft für die Patientin oder den Patienten.
Verschiedene Datenbanken, die bei der Suche nach ambulanten Einrichtungen und Therapieangeboten unterstützen, finden Sie hier.
Fachkräfte, die eine ambulante Psychotherapie durchführen, sind häufig ausgebucht. Es kann daher zu monatelangen Verzögerungen bis zum Beginn der Behandlung kommen. Wie Sie Wartezeiten überbrücken oder verkürzen können, erfahren Sie hier.